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Kategorie: Ehe- und Familienrecht

Kindesentführung durch die Mutter

Sorgerecht, Portugal, Umgangsrecht, Umgang, Entführung, Rückgabe, Kindeswohl


Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 22.09.2000
OLG Oldenburg, Beschluss vom 29.08.2000, Az. 3 UF 113/00

Kindesentführung - Mutter muss Kind zurück nach Portugal geben

Zusammenfassung:
Eine in Nordhorn lebende Mutter muss aufgrund des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen (im Folgenden: HKÜ) ihren Sohn zurück zum Vater nach Portugal geben, weil sie - ohne das Sorgerecht zu haben - den Sohn von dort zu sich geholt hatte. Dies hat das OLG Oldenburg mit Beschluss vom 29. August 2000 entschieden. Weil der heute fünfjährige Junge in Portugal bereits mehr als 20 Monate gelebt hatte, half es der Mutter auch nicht, dass der Vater seinerzeit das Kind eigenmächtig nach Portugal gebracht hatte.

Langinformation:
Ein portugiesisches Ehepaar, das in Nordhorn lebte, trennte sich 1997. Im April 1998 nahm der Ehemann, der inzwischen wieder in Portugal lebte, den 1995 in Nordhorn geborenen gemeinsamen Sohn eigenmächtig mit zu sich. Durch ein portugiesisches Gericht wurde ihm vorläufig das Sorgerecht zugesprochen. Die Mutter bekam ein Besuchsrecht. Im Dezember 1999 nahm sie den Jungen an sich, als er in Portugal gerade von seiner Tante vom Kindergarten abgeholt wurde. Seither lebt sie wieder mit ihm in Nordhorn.

Der Vater verlangte im März 2000 vor dem Amtsgericht Oldenburg die Rückgabe des Kindes. Das Amtsgericht wies den Antrag ab. Dies begründete es u.a. damit, dass die für Nordhorn zuständigen Gerichte - und nicht die portugiesischen - für die Sorgerechtsentscheidung zuständig sein, weil durch die Entführung nach Portugal kein gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes begründet worden sei. Außerdem sei ein erneuter Wechsel für den Jungen, der lieber in Deutschland bei seiner Mutter bleiben wolle, schädlich.

Mit Beschluss vom 29.8.2000 hat das OLG Oldenburg die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Rückgabe des Kindes an den Vater angeordnet. Nach dem HKÜ sei das Handeln der Mutter widerrechtlich gewesen. Auch bei einer vorausgegangenen Entführung werde ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet, wenn es zu einer sozialen Einbindung des Kindes am neuen Aufenthaltsort komme. Das sei jedenfalls dann zu bejahen, wenn das Kind mehr als 20 Monate am neuen Ort - hier in Portugal - gelebt habe. Die Voraussetzungen für eine der Ausnahmevorschriften des HKÜ seien ebenfalls nicht gegeben. So reiche nicht aus, dass der Junge sich bei seiner Mutter wohl fühle und gerne bei ihr bleiben wolle, um anzunehmen, dass die Rückgabe mit einer schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden sei. Wörtlich heißt es dann: "Der Senat hebt hervor, dass das vorliegende Verfahren nicht dazu bestimmt ist, darüber zu befinden, welche Regelung der elterlichen Sorge unter Berücksichtigung aller Umstände .... dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Zweck des Verfahrens ist vielmehr, sicherzustellen, dass die Entscheidung über die elterliche Sorge dort erfolgen kann, wo das Kind vor der Entführung durch die Antragsgegnerin seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat." Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen

Art. 3 HKÜ
Das Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes gilt als widerrechtlich, wenn a) dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das einer Person, Behörde oder sonstigen Stelle allein oder gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; und b) dieses Recht im Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, falls das Verbringen oder Zurückhalten nicht stattgefunden hätte.

Art. 12 Abs. 1 HKÜ
Ist ein Kind im Sinn des Artikels 3 widerrechtlich verbracht oder zurückgehalten worden und ist bei Eingang des Antrags bei dem Gericht ... eine Frist von weniger als einem Jahr seit dem Verbringen oder Zurückhalten verstrichen, so ordnet das zuständige Gericht oder die zuständige Verwaltungsbehörde die sofortige Rückgabe des Kindes an.

Art. 13 HKÜ
Ungeachtet des Artikels 12 ist das Gericht ... nicht verpflichtet, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn die Person, Behörde oder sonstige Stelle, die sich der Rückgabe des Kindes widersetzt, nachweist, a) dass die Person, ..., der die Sorge für die Person des Kindes zustand, das Sorgerecht zur Zeit des Verbringens oder Zurückhaltens tatsächlich nicht ausgeübt, dem Verbringen oder Zurückhalten zugestimmt oder dies nachträglich genehmigt hat oder b) dass die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt. Das Gericht ... kann es ferner ablehnen, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn festgestellt wird, dass sich das Kind der Rückgabe widersetzt und dass es ein Alter und eine Reife erreicht hat, angesichts deren es angebracht erscheint, seine Meinung zu berücksichtigen. ...