Einbau eines Lifts im Treppenhaus eines Miethauses
Vermieter, Mieter, Lebensgefährte, Fahrstuhl, Einbau, Lift, Mitshaus, Querschnittsgelähmter, Rollstuhl, Treppenlift, Umbau, Zustimmung
Pressemitteilung des BVerfG vom 13.04.2000, Nr. 46/2000
Beschluss vom 28.03.2000, Az. 1 BvR 1460/99
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde im Zusammenhang mit Einbau eines Lifts im Treppenhaus eines Miethauses
Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat auf die Verfassungsbeschwerde (Vb) des Lebensgefährten einer Querschnittsgelähmten ein Urteil des Landgerichts Berlin (LG) aufgehoben. Mit dem Urteil war die Klage des Beschwerdeführers (Bf) gegen die Vermieter, dem Einbau eines Lifts im Treppenhaus des Miethauses zuzustimmen, rechtskräftig abgewiesen worden. Das LG muss die Sache erneut verhandeln und unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte der Kammer des BVerfG entscheiden.
I.
Der Bf lebt mit seiner querschnittsgelähmten, auf einen Rollstuhl angewiesenen Lebensgefährtin, die selbst nicht Partei des Mietvertrages ist, in einer im zweiten Obergeschoss gelegenen Mietwohnung in Berlin. Die Lebensgefährtin muss vom Bf täglich durch das Treppenhaus getragen werden. Der Bf bot den Vermietern an, auf eigene Kosten einen Treppenlift einzubauen und bei seinem Auszug aus der Wohnung diesen wieder auszubauen. Die Vermieter willigten in den Umbau nicht ein. Die Klage des Bf gegen die Vermieter auf Zustimmung wurde rechtskräftig abgewiesen. Zur Begründung führt das LG u.a. aus, die Vermieter hätten sachliche Gründe für ihre Verweigerung vorgetragen. Durch den Einbau und Betrieb des Lifts würden zusätzliche Verkehrssicherungspflichten und Haftungsrisiken entstehen. Auch Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ("Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden") begründe keinen solchen Anspruch. Da auch behindertengerechte Wohnungen auf dem Markt seien, stünden für ein selbstbestimmtes Leben auch andere Möglichkeiten zur Verfügung als die Installation eines Treppenlifts. Gegen dieses Urteil erhob der Bf Vb.
II.
Der Vb war stattzugeben. Die Entscheidung des LG verletzt das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) des Bf.
1. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung. Von diesem Besitzrecht ist weiterhin das Recht zur Nutzung des Treppenhauses, das zur Wohnung des Mieters führt, umfasst.
Das eigentumskräftige Recht, im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs über die Art und Weise der Nutzung der Wohnung zu bestimmen, ermächtigt den Mieter grundsätzlich ebenso zur Aufnahme seines Lebenspartners in die Wohnung. Da sich dies nur verwirklichen lässt, wenn dem Lebenspartner auch der Zugang zur Wohnung eröffnet ist, erstreckt sich das Recht des Mieters im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schließlich auch darauf, dass dem Lebensgefährten der Zugang zur Wohnung gewährt wird.
Bei Bestimmung des Inhalts und Umfangs des sich aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden Nutzungsrechts des Mieters ist Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu beachten. Dieses Benachteiligungsverbot begründet nicht nur eine besondere Verantwortung des Staates für behinderte Personen, es fließt als Teil der objektiven Wertordnung auch in die Auslegung des Zivilrechts ein. Das sich aus Art. 14 Abs. 1 GG ergebende Nutzungsrecht des Mieters wird, auch wenn der behinderte Angehörige oder Lebensgefährte nicht Partei des Mietvertrages ist, durch diese Grundentscheidung mitgeprägt.
Die Zivilgerichte müssen demnach bei der Überprüfung der vom Vermieter getroffenen Entscheidung im Rahmen des § 242 BGB abwägen zwischen dem eigentumsrechtlich geschützten Interesse des Vermieters an der unveränderten Erhaltung des Treppenhauses und dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Interesse des Mieters an einer behindertengerechten Nutzung.
2. Eine solche Abwägung hat das LG nicht vorgenommen. Denn es hat die ablehnende Entscheidung der Vermieter lediglich am Maßstab des Schikaneverbots (§ 226 BGB) gemessen.
Richtigerweise hätte hinsichtlich der mit einem Lifteinbau verbundenen Verkehrssicherungspflichten und Haftungsrisiken der Vermieter überprüft werden müssen, ob dem Begehren des Mieters nicht mit den Auflagen hätte entsprochen werden können, die Verkehrssicherungspflichten zu übernehmen und die Vermieter von Haftungsrisiken freizustellen.
Weiterhin hätte das LG klären müssen, inwieweit der Lifteinbau die Benutzung des Treppenhauses nur unter erschwerten Bedingungen ermöglicht. Ebenso ist der Hinweis des Gerichts, dass auf dem Markt behindertengerechte Wohnungen erhältlich seien, für sich genommen nicht geeignet, das Gewicht des Bestandsinteresses des Mieters in Frage zu stellen. Denn dies hängt entscheidend davon ab, in welchem Umfang und zu welchen Preisen vergleichbarer behindertengerechter Ersatzwohnraum angemietet werden kann. Die vom Senat des Landes Berlin hierzu gemachten Angaben lassen jedenfalls nicht auf ein Überangebot an behindertenfreundlich ausgestalteten Wohnungen schließen.
Die Entscheidung des LG war daher aufzuheben. Das Gericht wird bei der von ihm erneut vorzunehmenden Abwägung die vorgenannten Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben, ohne dass insoweit von Verfassungswegen ein bestimmtes Ergebnis der Abwägung im konkreten Einzelfall vorgegeben wäre.
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