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Kategorie: Schmerzensgeld

Feststellung eines groben Behandlungsfehlers eines Arztes

Behandlungsvertrag, Behandlungsfehler, Haftung, Schaden, Schadensersatz, Schmerzensgeld


BGH, Urteil vom 27.03.2001, Az. VI ZR 18/00

Leitsatz:

Das Gericht hat Zweifel und Unklarheiten aufgrund unterschiedlicher Bekundungen des gerichtlichen Sachverständigen im Laufe eines Arzthaftungsprozesses durch eine gezielte Befragung des Gutachters zu klären. Mangels ausreichender medizinischer Sachkunde darf es sich nicht mit einer eigenen Interpretation der Ausführungen über Widersprüche hinwegsetzen.

Aus der Urteilsbegründung:
"(...) Das Berufungsgericht durfte sich nicht mit einer eigenen Interpretation über die Widersprüche in den Ausführungen des Sachverständigen hinwegsetzen. Auch wenn die Beurteilung eines Behandlungsfehlers als grob oder nicht grob eine juristische Wertung ist, muß sich der Richter bei der Beantwortung der gestellten Frage mangels eigener Fachkenntnisse der Hilfe eines medizinischen Sachverständigen bedienen. In aller Regel wird er sonst den berufsspezifischen Sorgfaltsmaßstab des Arztes, der bei der Prüfung eines groben Behandlungsfehlers zu berücksichtigen ist, nicht zutreffend ermitteln können. Unklarheiten und Zweifel zwischen den verschiedenen Bekundungen des Sachverständigen hat das Gericht durch gezielte Befragung zu klären. Andernfalls bietet der erhobene Sachverständigenbeweis keine ausreichende Grundlage für die tatrichterliche Überzeugungsbildung. Im vorliegenden Fall liegt die Befürchtung nahe, daß das Berufungsgericht der Entscheidungsfindung ein anderes medizinisches Verständnis als der Sachverständige zugrundegelegt hat. Ohne erkennbares eigenes medizinisches Fachwissen konnte es die sich aufgrund der unterschiedlichen Gutachtensaussagen aufdrängenden Zweifelsfragen nach dem Grad der Verletzung des ärztlichen Standards durch den Beklagten zu 2) nicht selbst dahingehend beantworten, daß ein grober Behandlungsfehler vorliege. Vielmehr hätte das Berufungsgericht die zutage getretenen Widersprüche durch eine gezielte Befragung des Sachverständigen aufklären müssen. (...)"