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Kategorie: Strafrecht

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen richterliche Durchsuchungsanordnung

Durchsuchung, Wohnung, Geschäftsraum Steuerhinterziehung, Beweismittel, Beschlagnahmung, Unterlagen, Beschwerde, Anordnung


Pressemitteilung des BVerfG vom 31.05.2000, Nr. 74/2000
Beschluss vom 05.05.2000, Az. 2 BvR 2212/99

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen richterliche Durchsuchungsanordnung

Die 3. Kammer des Zweiten Senats hat einen Beschluss des Landgerichts Paderborn aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen. Das Landgericht hatte die Beschwerde gegen einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Paderborn verworfen.

I.
Die Beschwerdeführerin (Bf) betreibt auf einem Flughafen einen duty free shop.

Das Amtsgericht hatte in einem Ermittlungsverfahren gegen sie "wegen Steuerhinterziehung" die Durchsuchung ihrer Wohn, Geschäfts und sonstigen Räume angeordnet, weil zu vermuten sei, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, "insbesondere Aufzeichnungen, Rechnungen usw." führen werde. Noch am selben Tag waren die Räume der Bf durchsucht und Geschäftsunterlagen beschlagnahmt worden.

Die dagegen gerichtete Beschwerde verwarf das Landgericht als unbegründet. Zwar sei der Tatvorwurf im amtsgerichtlichen Beschluss möglicherweise nicht hinreichend konkret bezeichnet gewesen. Auch die Beschlagnahmeanordnung möge verfrüht gewesen sein, weil vor der Durchsuchung die zu beschlagnahmenden Gegenstände nicht mit der erforderlichen Genauigkeit hätten umschrieben werden können. Der amtsgerichtliche Beschluss hätte aber durch Auflistung der einschlägigen Straftatbestände problemlos nachgebessert werden können. In der Sache sei die Anordnung des Amtsgerichts nicht zu kritisieren, weil die Bf durch recht konkrete Hinweise in den Verdacht geraten sei, zollfreie Ware an nicht berechtigte Kunden zu verkaufen. Da die Durchsuchung abgeschlossen sei, beschlagnahmte Gegenstände an die Bf zurückgegeben worden seien und das Ermittlungsverfahren eingestellt, bestehe für das Landgericht keinen Anlass, den Wortlaut des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts zu überarbeiten.

Mit der Verfassungsbeschwerde (Vb) rügte die Bf eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 13 GG.

II.
Die 3. Kammer des Zweiten Senats hat die Vb als begründet angesehen und dazu unter anderem ausgeführt:

Aus Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folge die Verpflichtung des Richters, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses sicherzustellen, dass ein Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibe. Der Schutz der Privatsphäre des Betroffenen dürfe nicht allein den durchsuchenden Beamten überlassen bleiben, vielmehr müsse der Richter von vornherein für eine angemessene Begrenzung der Zwangsmaßnahme Sorge tragen. Ein Durchsuchungsbeschluss, der keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthalte und zudem weder die Art noch den denkbaren Inhalt der aufzufindenden Beweismittel erkennen lasse, werde diesen Anforderungen im Regelfall nicht gerecht.

Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts erfülle diese rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nicht. Das Landgericht habe in seiner Entscheidung den Verfassungsverstoß des Amtsgerichts fortgesetzt. Nach seiner Auffassung genüge es, wenn eine hinreichend konkrete Durchsuchungsanordnung hätte ergehen können, ohne dass sie tatsächlich vorlag. Diese Ansicht lasse den vom Grundgesetz vorgesehenen vorsorglichen Schutz durch den Richter ins Leere laufen.

Der Beschluss des Landgerichts verletze die Bf zudem in ihrem Recht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Schutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Aus dem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes folge, dass ein Betroffener auch nach Beendigung eines schwer wiegenden, aber nicht mehr fortwirkenden Grundrechtseingriffs dessen Berechtigung gerichtlich könne klären lassen. Die Wohnungsdurchsuchung auf Grund richterlicher Anordnung stellte einen solchen tief greifenden Eingriff in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG dar, der seiner Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet ist. Zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Durchsuchung gehörte eine richterliche Anordnung, die rechtsstaatlichen Anforderungen genügt. Das Vorliegen einer solchen Anordnung habe das Landgericht nicht geprüft und damit der Bf effektiven Rechtsschutz verweigert.