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Kategorie: Ehe- und Familienrecht

Ausgleich von Schulden zwischen geschiedenen Eheleuten

Scheidung, Unterhalt, Darlehen, Gesamtschuldner, Kindesunterhalt


BGH, Urteil 09.01.2002, Az. XII ZR 34/00

Leitsätze des Gerichts:

a) In der Berücksichtigung einer vom Unterhaltsschuldner allein getragenen Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts kann regelmäßig keine anderweitige Bestimmung gesehen werden, die Ausgleichsansprüche zwischen den Ehegatten ausschließt.
b) Eine anderweitige Bestimmung liegt dann nahe, wenn die alleinige Schuldentilgung durch einen Ehegatten bei der Bemessung des dem anderen zustehenden Trennungs- oder nachehelichen Unterhalts berücksichtigt wurde.
c) Soweit ein Ehegatte davon abgesehen hat, Unterhaltsansprüche gegen den anderen geltend zu machen, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, ob daraus auf eine (stillschweigende) anderweitige Bestimmung geschlossen werden kann.
d) Ist bei der Ermittlung des Endvermögens eines Ehegatten eine noch bestehende Gesamtschuld nur hälftig als Passivposten berücksichtigt worden, während bei der Berechnung des Endvermögens des anderen Ehegatten hierfür kein Abzug vorgenommen worden ist, so lässt sich einem auf dieser Grundlage geschlossenen Vergleich über den Zugewinnausgleich keine stillschweigende Vereinbarung dahingehend entnehmen, der erstere habe die Gesamtschuld im Innenverhältnis allein zu tragen.

Grundsatz:
Eheleute haften, auch über die Scheidung hinaus, für die von ihnen aufgenommenen Darlehen als Gesamtschuldner. Nach § 426 Abs. 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine anderweitige Bestimmung i.S. dieser Vorschrift bedarf keiner besonderen Vereinbarung der Beteiligten. Diese kann sich vielmehr aus dem Inhalt und Zweck eines zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnisses oder "aus der Natur der Sache" ergeben, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens. Bis zum Scheitern der Ehe kann somit eine anderweitige Bestimmung aus dem Umstand folgen, dass das Gesamtschuldverhältnis durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert wurde.

Für die Zeit danach kommt es für einen Ausgleichsanspruch darauf an, ob nunmehr die in § 426 Abs. 1 BGB für den Regelfall angeordnete hälftige Haftung eingreift oder ob - anstatt der ehelichen Lebensgemeinschaft - andere Umstände vorliegen, aus denen sich erneut eine anderweitige Bestimmung und damit ein vom Regelfall abweichender Verteilungsmaßstab ergibt. Insbesondere liegt „eine anderweitige Bestimmung, die die grundsätzliche Haftung von Gesamtschuldnern zu gleichen Teilen im Innenverhältnis verdrängt, dann nahe, wenn die alleinige Schuldentilgung durch einen der getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten bei der Berechnung des dem anderen zustehenden Unterhalts bereits berücksichtigt wurde. Denn dies führt zu einer dem hälftigen Schuldenabtrag nahezu entsprechenden Reduzierung des Unterhalts und damit wirtschaftlich zu einer mittelbaren Beteiligung des Unterhaltsberechtigten am Schuldenabtrag.

Ist es zu einer Unterhaltsberechnung unter Berücksichtigung der Kreditraten gekommen, sei es einverständlich, sei es aber auch durch Urteil, so kann darin eine anderweitige Bestimmung gesehen werden, die Ausgleichsansprüche nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließt.“ Aber: „Damit nicht vergleichbar ist aber der Fall, dass eine vom Unterhaltsschuldner allein getragene Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts berücksichtigt wird. Es handelt sich insoweit schon nicht um wechselseitige Ansprüche der Ehegatten. Abgesehen davon wird durch diese Vorgehensweise im Ergebnis keine nahezu hälftige Aufteilung der Schuldentilgung unter den Ehegatten herbeigeführt. Denn eine gegebenenfalls erfolgende Eingruppierung des Unterhaltsschuldners in eine niedrigere Einkommensgruppe der Unterhaltstabellen führt nur in eingeschränktem Umfang zu einem reduzierten Kindesunterhalt und deshalb regelmäßig nicht zu einem angemessenen wirtschaftlichen Äquivalent für die alleinige Belastung mit der Gesamtschuld.

Im Übrigen entfällt bei dieser Fallgestaltung aber auch die mittelbare Beteiligung des anderen Ehegatten an der Schuldentilgung. Er braucht keine Kürzung seines Unterhalts hinzunehmen, hat aber auch den reduzierten Kindesunterhalt grundsätzlich nicht auszugleichen. Den bei ihm lebenden Kindern ist er nicht barunterhaltspflichtig, sondern er erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt der Kinder beizutragen, in der Regel durch deren Pflege und Erziehung.“ (…)

Ob in dem gerichtlichen Vergleich, soweit er den Trennungsunterhalt betrifft, eine konkludente anderweitige Bestimmung (…) gesehen werden kann, hängt maßgeblich davon ab, ob die Regelung zu einer dem hälftigen Schuldenabtrag nahezu entsprechenden Kürzung des Unterhalts und damit zu einer mittelbaren Beteiligung der Beklagten am Schuldenabtrag geführt hat. (…) Soweit die Beklagte davon abgesehen hat, nachehelichen Unterhalt gerichtlich geltend zu machen, kommt es für die Frage, ob hierin eine anderweitige Bestimmung liegen kann, zunächst darauf an, ob solche Ansprüche, und zwar ohne Berücksichtigung der die Leistungsfähigkeit des Klägers mindernden Schuldentilgung, überhaupt bestanden hätten. (…) Sofern „eine stillschweigende Vereinbarung dahingehend angenommen werden kann, dass die Unterhaltsansprüche im Hinblick darauf nicht geltend gemacht werden, dass der Kläger die Darlehensschulden allein tilgt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden.“ (…)

Aus dem Umstand dass der Ehemann die Darlehensschuld nur zur Hälfte von seinem Endvermögen abgesetzt, während die Ehefrau die gemeinsamen Kreditverbindlichkeiten bei der Ermittlung ihres Endvermögens nicht berücksichtigt habe“ (…) kann ohne weitere „Indizien nicht geschlossen werden, die Parteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Darlehensschulden im Innenverhältnis vom Kläger allein zu tragen seien.“