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Kategorie: Unterhaltsrecht

Gegen eine Unterhaltsforderung ist eine Aufrechnung nicht zulässig

Unterhalt, Aufrechnung, Pfändbarkeit, Betreuungsunterhalt, Schuldner, Bläubiger, SGB II, Darlehen, Forderungsübergang


OLG Dresden, Beschluss vom 06.04.2011, Az. 24 UF 880/10

Gegen eine Unterhaltsforderung ist eine Aufrechnung nicht zulässig. Die Aufrechnung ist auch dann nicht zulässig, wenn die Unterhaltsforderung auf einen Dritten gesetzlich übergegangen ist und dem Unterhaltsschuldner seinerseits eine Forderung gegen den ursprünglichen Unterhaltsgläubiger zusteht. Die Aufrechnung scheitert dann zwar nicht an der Unpfändbarkeit der Unterhaltsforderung, jedoch am Einwand fehlender Gegenseitigkeit.


Gründe
I.
Der Antragsgegner ist der Vater der am ...2007 nicht ehelich geborenen S... R... Er lebt mit Mutter und Kind nicht zusammen. Für das Kind leistet er Kindesunterhalt. Betreuungsunterhalt für die Mutter hat er nicht geleistet. Die Mutter, die vom Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt Betreuungsunterhalt verlangte, hat Leistungen nach dem SGB II - auch für das Kind - von der Antragstellerin erhalten. Diese macht gegenüber dem Antragsgegner die auf sie gemäß § 33 Abs. 1 SGB II übergegangenen Ansprüche auf Betreuungsunterhalt geltend.

Die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners steht nicht im Streit. Der Antragsgegner hat jedoch gegenüber der Antragstellerin die Aufrechnung mit einer gegenüber der Mutter bestehenden Darlehensforderung erklärt. Das Bestehen der Darlehensforderung ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Das Familiengericht hat den Antragsgegner zur Zahlung des rückständigen Betreuungsunterhalts verurteilt. Es hat die Auffassung vertreten, dass die vom Antragsgegner erklärte Aufrechnung gemäß § 394 BGB in Verbindung mit § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO ausgeschlossen sei. Die Unterhaltsforderung sei auch nach dem gesetzlichen Forderungsübergang auf die Antragstellerin unpfändbar.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der vorliegenden Beschwerde. Er macht geltend, dass die Antragstellerin des Pfändungsschutzes nicht bedürfe. Das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB schütze ausschließlich den Gläubiger, nicht jedoch die Allgemeinheit. Die Entlastung der Sozialhilfesysteme sei nicht Zweck des § 394 BGB. Es sei auch nicht zutreffend, dass dem Antragsgegner im Falle der Aufrechnung ein ungerechtfertigter Vorteil zufließen würde. Durch das Erlöschen der zur Aufrechnung gestellten Darlehensforderung einerseits und der gegen ihn gerichteten Unterhaltsforderung andererseits erfahre sein Vermögen keine Veränderung. Schließlich hätte es dem Gesetzgeber oblegen, wenn er ein Aufrechnungsverbot im Falle des gesetzlichen Forderungsübergangs beabsichtigt hätte, die Überleitungsnorm entsprechend auszugestalten. (…)

II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Familiengericht hat den Antragsgegner im Ergebnis zu Recht verurteilt, an die Antragstellerin übergeleiteten Trennungsunterhalt zu zahlen.

Die streitgegenständliche Forderung ist zwischen den Beteiligten dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Streit besteht allein über die Frage, ob der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin die Aufrechnung mit einer unstreitigen Darlehensforderung gegenüber der ursprünglichen Forderungsinhaberin erklären kann. Diese Frage ist zu verneinen.

Allerdings schließt sich der Senat nicht der Auffassung des Familiengerichts an, wonach die Aufrechnung vorliegend an § 394 BGB i.V.m. § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO scheitere. Zwar ist der Betreuungsunterhaltsanspruch einer Mutter nach § 1615 l BGB gemäß § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der Regel unpfändbar, was nach § 394 BGB zum Verbot der Aufrechnung führt. Zu Recht weist jedoch der Antragsgegner darauf hin, dass diese Schutzvorschriften dem Unterhaltsberechtigten dienen, um diesem eine sichere Lebensgrundlage zu verschaffen. Dieser besondere Schutz ist dann nicht mehr erforderlich, wenn der Unterhaltsanspruch auf einen Dritten, der den Unterhalt anstelle des eigentlichen Schuldners geleistet hat, übergegangen ist. Insoweit hat auch der BGH bereits ausgeführt, dass es des Schutzes des § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht mehr bedürfe, wenn der Berechtigte von einem Dritten unterhalten worden ist und das Gesetz ihm deshalb den Anspruch nimmt, was durch den gesetzlichen Forderungsübergang nach § 1615 b BGB geschehe. In der Person des Dritten, auf den die Forderung übergehe, lägen keine Gründe vor, die eine Fortdauer des Pfändungsschutzes rechtfertigen könnten.

Nichts anderes kann gelten, wenn der Unterhaltsanspruch auf einen Sozialleistungsträger - wie hier - gemäß § 33 Abs. 1 SGB II übergegangen ist. Dass § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO und § 394 BGB in einem solchen Fall auch oder sogar vorrangig der Entlastung der Sozialsysteme dienten, lässt sich den genannten Vorschriften nicht entnehmen. Ein solcher Schutz der Sozialsysteme ist auch nicht erforderlich. Eine Pfändung der auf einen Sozialleistungsträger übergegangenen Forderung dürfte kaum im Raum stehen. Selbst wenn ein Dritter gegen den Sozialleistungsträger einen vollstreckbaren und damit zur Pfändung geeigneten Titel besitzen sollte, wäre nicht ersichtlich, weshalb nicht auch in eine übergegangene Unterhaltsforderung gepfändet werden könnte. Es ist auch kein Bedürfnis dafür erkennbar, dass der Sozialleistungsträger die auf ihn übergegangene Forderung nicht abtreten können soll. Auch dies wäre jedoch eine Konsequenz, wollte man der übergegangenen Unterhaltsforderung weiterhin den Pfändungsschutz nach § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO zubilligen (§ 400 BGB).

Schließlich muss der Sozialleistungsträger auch nicht vor einer Aufrechnung durch den Unterhaltsschuldner geschützt werden. Sollte ein Unterhaltsschuldner eine Forderung unmittelbar gegenüber dem Sozialleistungsträger haben, ist nicht ersichtlich, weshalb er die Aufrechnung nicht erklären können soll. Das Problem stellt sich allein in dem Fall, dass der Schuldner eine Forderung nicht gegenüber dem Sozialleistungsträger hat, sondern gegenüber dem ursprünglichen, also dem eigentlichen Unterhaltsgläubiger. Nur in diesem Fall könnte der Sozialleistungsträger durch die Aufrechnung schlechter gestellt werden, denn er wird durch die Aufrechnung nicht von einer ihn belastenden Verbindlichkeit befreit, verliert aber die Forderung gegenüber dem Unterhaltsschuldner. Dieses in der Tat aus Sicht der Sozialhilfesysteme und damit auch der Allgemeinheit als nachteilig angesehene Ergebnis wird jedoch durch die Vorschriften über die Abtretung und Aufrechnung verhindert. Nach § 412 BGB finden die Vorschriften der §§ 399 bis 404 und 404 bis 410 BGB auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes entsprechende Anwendung. Somit ist für den vorliegenden Fall auch § 406 BGB einschlägig. Danach kann ein Schuldner im Fall einer Abtretung oder eines gesetzlichen Forderungsübergangs eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen. Die Vorschrift dient, wie auch § 404 BGB, dem Schutz des Schuldners, der durch eine Abtretung, auf die er keinen Einfluss hat, in seiner Position als Schuldner nicht verschlechtert werden soll.
§ 406 BGB regelt somit eine Ausnahme vom Gegenseitigkeitsprinzip des § 387 BGB. Nach § 387 BGB ist die Aufrechnung nur dann möglich, wenn zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, schulden. Dies ist nicht der Fall, wenn - wie hier - eine Unterhaltsforderung auf einen Sozialleistungsträger übergegangen ist und der Schuldner gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger eine Gegenforderung hat. In diesem Fall schulden nicht zwei Personen einander Leistungen, sondern der Unterhaltsschuldner schuldet nunmehr dem Sozialleistungsträger den Unterhalt, während der ursprüngliche Unterhaltsgläubiger dem Unterhaltsschuldner eine Darlehensforderung schuldet. Weil durch die Abtretung oder den gesetzlichen Forderungsübergang die Gegenseitigkeit der Forderungen entfällt, die Rechtslage des Schuldners aber durch diesen Umstand nicht verschlechtert werden soll, gibt § 406 BGB dem Schuldner die Möglichkeit, trotz fehlender Gegenseitigkeit der Forderungen auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen zu können. Voraussetzung ist aber, dass der Schuldner auch dem ursprünglichen Gläubiger gegenüber hätte aufrechnen können. Konnte er dies nicht, greift die Ausnahmevorschrift des § 406 BGB nicht. Dies wird schon aus der Formulierung der Vorschrift deutlich, wonach der Schuldner auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen könne. § 406 BGB dient damit lediglich dem Schutz des Schuldners vor einer Verschlechterung, nicht jedoch der Verbesserung seiner Rechtslage durch eine Abtretung oder einen gesetzlichen Forderungsübergang. Mit § 406 BGB kann damit nicht begründet werden, dass eine gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger unpfändbare und damit nicht durch Aufrechnung zu beseitigende Forderung durch die Abtretung aufrechnungsfähig wird. Konnte der Schuldner gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger nicht aufrechnen, weil die Forderung unpfändbar und damit nicht aufrechnungsfähig war, verbleibt es vielmehr bei den Aufrechnungsvoraussetzungen des § 387 BGB und damit auch bei dem Erfordernis der Gegenseitigkeit der Forderungen. Damit kann der Antragsgegner im Verhältnis zur Antragstellerin die Aufrechnung nicht wirksam erklären. Hierfür spricht im Übrigen auch § 404 BGB: der Schuldner kann dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Hierunter fällt zum Beispiel auch eine bereits dem ursprünglichen Gläubiger gegenüber erklärte Aufrechnung. Auch dies würde jedoch zwingend voraussetzen, dass der Schuldner gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger die Aufrechnung wirksam erklären konnte, denn ansonsten konnte er die Aufrechnung zur Zeit der Abtretung gegen den bisherigen Gläubiger nicht einwenden.

Da der Antragsgegner folglich mit der Aufrechnung die Forderung der Antragstellerin nicht zu Fall bringen konnte, war er antragsgemäß zu verurteilen. (…)