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Kategorie: Mietrecht

Eine unberechtigte Kündigung kann zu einem Anspruch auf Schadensersatz führen

Mietvertrag, Vermieter, Mieter, Vertragsverletzung, Schadensersatz, Kündigung, Kündigungsgrund, Kündigungsrecht, Berechtigung, Verschulden, Erstattung


Pressemitteilung des Amtsgerichts München vom 01.09.2017, Nr. 67
Urteil vom 16.12.2016, Az. 411 C 45/16

Vergiftetes Mietverhältnis

Eine unberechtigte Kündigung kann eine schuldhafte Vertragsverletzung darstellen, die zum Schadensersatz verpflichtet. Voraussetzung hierfür ist, dass der Kündigende erkannt hat oder erkennen musste, dass ein Kündigungsrecht nicht besteht. Bleibt dagegen bei einer sorgfältigen Prüfung ungewiss, ob tatsächlich ein Kündigungsrecht besteht, darf das Recht geltend gemacht werden, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich später das Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt.

Der Kläger und seine Ehefrau mieteten ab dem 01.08.2009 eine 3-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoß eines Mehrfamilienhauses in Nymphenburg in München. Die Vermieterin bewohnt ein Haus, das auf dem unmittelbar angrenzenden Grundstück steht. Sie hält dort mehrere Hunde. Bereits im Jahr 2012 schickten mehrere Mieter ein gemeinsam verfasstes und auch vom Kläger unterschriebenes Schreiben an die Vermieterin: „Bitte finden sie eine Lösung, das dauerhafte Bellen ihres Hundes einzuschränken. Der momentane Zustand ist mehr als unzumutbar. Es ist, gerade bei schönem Wetter, nicht möglich, draußen auf der Terrasse/den Balkonen ein normal gesprochenes Wort zu verstehen.“

Am 06.04.2015 musste die  Vermieterin einen der Hunde in die Tierklinik bringen, da dieser offensichtlich starke Schmerzen hatte und jaulte. In der Klinik wurde festgestellt, dass der Hund mit einer gesundheitsschädlichen Substanz bespritzt worden war. Der Verdacht fiel auf den Kläger, der als der Hund Schmerzen äußerte, ganz in der Nähe des Hundes gesehen worden war. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, das gegen den Kläger wegen eines Vergehens nach dem Tierschutzgesetz eingeleitet worden war, wurde am 15.06.15 mangels Tatnachweises eingestellt.

Am 07.04.2015 kündigte die Beklagte gegenüber dem Kläger und dessen Ehefrau das Mietverhältnis schriftlich fristlos mit der Begründung, dass der Kläger am Os-termontag, dem 06.04.2015, um 19.00 Uhr an ihrem Gartenzaun „einen hinterhältigen Säureanschlag“ auf ihren Hund verübt habe. Der Kläger  habe dem Hund ätzende Flüssigkeit direkt in die Augen und ins Gesicht geschüttet. Hierdurch hätten auch die behandelnden Tierärzte und die Beklagte selbst im Kontakt mit dem Tier Hautreizungen und Atembeschwerden erlitten.

Der Kläger wies die Kündigung und den Vorwurf bezüglich des Hundes in mehreren Schreiben zurück. Letztlich zog das Ehepaar am 13.06.2015 aus. Mit Schreiben vom 13.09.2015 machte der Kläger unter Hinweis darauf, dass er auf Grund der von der Beklagten ausgesprochenen fristlosen Kündigung, die unbegründet gewesen sei, ausgezogen sei, Schadensersatz und die Rückzahlung der halben Monatsmiete für Juni 2015 in Höhe von insgesamt 4.578,72 € geltend und erhob Klage vor dem Amtsgericht München.

Die zuständige Richterin wies die Klage ab.

„Wenn die  Behauptung des Klägers zutrifft, dass der Kündigungsgrund völlig unzutreffend ist, dann hätte es für ihn auf der Hand gelegen, dass die Kündigung unwirksam ist und er die Wohnung nicht räumen und herausgeben muss. In diesem Fall wäre ihm auch zur Schadensvermeidung zumutbar gewesen, gegen die Kündigung vorzugehen bzw. sie schlicht nicht zu befolgen, oder jedenfalls das Mietverhältnis seinerseits gegenüber der Beklagten zu kündigen auf Grund der von ihr begangenen Pflichtverletzung der unberechtigten Kündigung.

Stattdessen ist der Kläger letztendlich freiwillig aus der Wohnung ausgezogen. Der Kausalverlauf zwischen Kündigung und Schadenseintritt wurde daher unterbrochen. Auch aus diesem Grund ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht gegeben“, so das Urteil.

Das Urteil ist rechtskräftig. Die Berufung des Klägers wurde mit Beschluss vom 20.6.17 vom Landgericht München I zurückgewiesen.