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Kategorie: Autokauf

Konkludente Zusicherung "fabrikneu" beim Kauf von Neuwagen

Autokauf, Kaufvertrag, Auslieferung, Modell, fabrikneu, Eigenschaft, Neuwagen


BGH, Urteil vom 22.03.2000, Az. VIII ZR 325/98

Leitsätze:

1. Im Verkauf eines Neuwagens durch einen Kraftfahrzeughändler liegt in der Regel die konkludente Zusicherung, daß das verkaufte Fahrzeug "fabrikneu" ist.

2. Ein als Neuwagen verkaufter Pkw ist nicht mehr "fabrikneu", wenn das betreffende Modell im Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr unverändert hergestellt wird.

Aus der Urteilsbegründung:
"(...) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, von der das Berufungsgericht ausgeht und die auch von der Revisionserwiderung nicht in Zweifel gezogen wird, ist ein abgesehen von der Überführung nicht benutztes Kraftfahrzeug, auch wenn es erst einige Zeit nach seiner Herstellung verkauft wird, fabrikneu, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, also keinerlei Änderungen in der Technik und der Ausstattung aufweist, und durch das Stehen keine Mängel entstanden sind.

Nach dieser Definition war das dem Kläger verkaufte Fahrzeug nicht mehr "fabrikneu", weil es im Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr Bestandteil der aktuellen Modellpalette des Herstellers BMW war. Das Berufungsgericht stellt als unstreitig fest, daß es sich im Zeitpunkt des Kaufabschlusses bei dem BMW 730 iA um das Vorgängermodell und bei dem BMW 735 iA um das seinerzeit aktuelle Nachfolgemodell handelte. Soweit die Revisionserwiderung dies offenbar wegen des äußerlich unveränderten Erscheinungsbilds des Nachfolgemodells in Zweifel ziehen will, bleibt dieser Angriff schon wegen der dem Berufungsurteil insoweit innewohnenden Tatbestandswirkung (§ 314 ZPO) ohne Erfolg. Davon abgesehen besteht an einem Modellwechsel jedenfalls dann kein Zweifel, wenn eine technische Veränderung hier: die Ausstattung mit einem größeren und leistungsstärkeren Motor wie im gegebenen Fall mit einer Änderung der Modellbezeichnung einhergeht und das ursprüngliche Modell nicht mehr gebaut wird.

War der BMW 730 iA im Zeitpunkt des Verkaufs an den Kläger jedenfalls mangels Modellaktualität nicht mehr fabrikneu, so bedarf es keines Eingehens auf die weitere Frage, ob die Eigenschaft fabrikneu auch bereits wegen der Standzeit von rund 1 1/2 Jahren entfallen war.

Das Fehlen der Eigenschaft fabrikneu berechtigt den Kläger, Wandelung des Kaufvertrages zu verlangen, denn dieser verpflichtete den Beklagten zur Lieferung eines fabrikneuen Fahrzeugs.

Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend erkennt, liegt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats im Verkauf eines Neuwagens durch den Kraftfahrzeughändler grundsätzlich die Zusicherung, daß das verkaufte Fahrzeug die Eigenschaft hat, "fabrikneu" zu sein. Der Verwendung des Begriffs "fabrikneu" bedarf es dazu entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht. Ein Käufer, der bei einem Vertragshändler der betreffenden Marke ein als "Neuwagen" oder wie hier als "neues Kraftfahrzeug" bezeichnetes Fahrzeug erwirbt, tut dies regelmäßig in der selbstverständlichen Erwartung, daß das zu liefernde Fahrzeug "fabrikneu" ist.

Schließt ein markengebundener Händler unter Verwendung der üblichen Formulare einen Kaufvertrag über ein "neues" Fahrzeug der von ihm vertriebenen Marke ab, so hat der Käufer regelmäßig keine Veranlassung, Überlegungen dahin anzustellen, ob das Fahrzeug "fabrikneu" oder nur "neu" im Sinne von aus neuen Materialien hergestellt und unbenutzt zu sein hat. Zwar mögen Fallgestaltungen denkbar sein, bei denen die Verwendung der Begriffe "neu" oder "Neuwagen" unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls nicht als Zusicherung der Eigenschaft "fabrikneu" zu werten ist (vgl. dazu etwa den dem Senatsurteil vom 26. März 1997 VIII ZR 115/96, WM 1997, 1438 = NJW 1997, 1847 zugrundeliegenden Fall des Verkaufs eines "Neufahrzeugs mit Werkskilometern"; ferner OLG Schleswig, OLGR 1999, 412 = DAR 2000, 69 mit Anm. Reinking EWiR 2000, 67). Eine solche Interpretation der Angaben des Verkäufers kommt indessen nur dann in Betracht, wenn für den Käufer unübersehbare Umstände hinzutreten, die ihm Anlaß geben müssen, die Frage der Fabrikneuheit des Kaufgegenstandes einer näherer Prüfung zu unterziehen.

Im Streitfall fehlt es an derartigen Umständen. Die Tatsache, daß das verkaufte Fahrzeug aus dem Lagerbestand des Beklagten stammt, ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung für die Frage der Fabrikneuheit unerheblich. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, die auch die Revisionserwiderung nicht in Zweifel zieht, ist ein unbenutztes Kraftfahrzeug fabrikneu, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird und wenn es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist (s. o. unter II 1 a). Das gilt auch dann, wenn das Fahrzeug erst einige Zeit nach seiner Herstellung verkauft wird (Senatsurteil vom 6. Februar 1980 aaO). Ob es während des Zeitraums zwischen Herstellung und Verkauf beim Hersteller oder beim Händler eingelagert war, macht insoweit keinen Unterschied. Auch ein Kaufinteressent, der ein Neufahrzeug aus dem Lagerbestand eines Händlers erwirbt, geht regelmäßig davon aus, daß das Lager des Händlers im wesentlichen aus fabrikneuen Fahrzeugen in dem vorstehend erörterten Sinne besteht. Daß das verkaufte Fahrzeug ein Lagerfahrzeug ist, besagt aus der maßgeblichen Sicht des Käufers nicht mehr, als daß der Händler das betreffende Fahrzeug "am Lager hat", es mithin nicht erst beim Hersteller/Importeur bestellen muß. Auch für ein "Lagerfahrzeug", das als "Neuwagen" oder "neues Fahrzeug" verkauft wird, sichert der Verkäufer damit grundsätzlich die Fabrikneuheit zu.

Das Berufungsgericht hat keine Umstände festgestellt, die zu der Annahme berechtigen könnten, der Kläger habe die Fabrikneuheit des verkauften Fahrzeugs nicht als zugesichert ansehen dürfen.

Aus der Preisgestaltung ergibt sich hierfür nichts. Zwar ist dem Kläger durch eine Erhöhung des Ankaufspreises für seinen in Zahlung gegebenen Gebrauchtwagen um 8. 120 DM gegenüber dem Betrag, der ihm beim Kauf eines BMW 735 iA angerechnet werden sollte, im Ergebnis ein Nachlaß auf den Listenpreis des BMW 730 iA in dieser Höhe eingeräumt worden. Nachlässe auf den Listenpreis in dieser Größenordnung (hier: ca. 6, 6 %) sind indessen seit längerem auch beim Verkauf fabrikneuer Kraftfahrzeuge gang und gäbe. Selbst wenn davon auszugehen sein sollte, daß schon der ursprünglich vorgesehene Ankaufspreis von 25. 000 DM für das Gebrauchtfahrzeug des Klägers einen Nachlaß auf den Listenpreis des BMW 735 iA einschloß und der Differenzbetrag von 8. 120 DM demnach einen zusätzlichen Preisnachlaß bezüglich des BMW 730 iA darstellt so sieht das Berufungsgericht die Dinge offenbar, mußte sich dem Kläger kein Zweifel an der Fabrikneuheit des BMW 730 iA aufdrängen. Denn immerhin lag der Listenpreis des BMW 730 iA mit der vorhandenen Sonderausstattung um rund 13. 500 DM über dem Betrag, den der Kläger für den zunächst ins Auge gefaßten BMW 735 iA mit der gewählten Ausstattung hätte aufbringen müssen. Zudem haben Kraftfahrzeughändler in aller Regel aus verschiedenen Gründen ein gesteigertes Interesse an der Veräußerung von Lagerfahrzeugen, so daß zusätzliche Preiszugeständnisse insoweit nicht ungewöhnlich sind.

Eine stillschweigende Zusicherung, der verkaufte BMW 730 iA sei fabrikneu in dem vorstehend erläuterten Sinne, könnte allerdings dann nicht angenommen werden, wenn der Kläger bei den Vertragsverhandlungen Kenntnis davon gehabt hätte, daß das Modell 730 iA bereits vor Abschluß des Kaufvertrages durch das Nachfolgemodell 735 iA abgelöst worden war. Eine solche Kenntnis des Klägers hat das Berufungsgericht indessen nicht festgestellt. Es berücksichtigt vielmehr zum Nachteil des Klägers, daß dieser nicht vorgetragen habe, welche Vorstellung er mit den unterschiedlichen Typenbezeichnungen verbunden habe, seinem Vortrag insbesondere nicht zu entnehmen sei, daß er sich unter den Typenbezeichnungen etwas anders als Bezeichnungen für das Vorgänger- und das Nachfolgemodell vorgestellt habe. Diese Erwägung ist schon deswegen nicht tragfähig, weil die Modellbezeichnungen 730 und 735 nur die Modellreihe ("Siebener") und die Größe des Motors nach Hubraum (3, 0 bzw. 3, 5 Liter), nicht aber eine Modellabfolge innerhalb der "Siebener" -Modellreihe bezeichnen. Vortrag des Klägers dazu, daß er aus der Unterschiedlichkeit der Typenbezeichnungen nicht auf einen Modellwechsel geschlossen habe, war demnach nicht zu erwarten. Das Berufungsgericht zeigt auch nicht auf, aufgrund welcher sonstigen Gegebenheiten der Kläger, selbst wenn er allgemein über die Fahrzeuge der Firma BMW gut informiert gewesen sein sollte, gerade von dem Modellwechsel Kenntnis erlangt haben könnte.

Daß das Modell BMW 730 iA im März 1996 nicht mehr gebaut wurde und bereits durch das Nachfolgemodell BMW 735 iA abgelöst worden war, ergibt sich schließlich auch nicht aus dem als Anlage B 1 zu den Akten gereichten "Angebot an Interessenten", das nach der bestrittenen Darstellung des Beklagten dem Bestellformular über den Verkauf des BMW 730 iA als Anlage beigefügt war. Auch wenn dieses Angebot angesichts seiner Datierung (12. September 1994) erkennen ließ, daß das Fahrzeug im März 1996 bereits seit 18 Monaten bei dem Beklagten auf Lager stand, mußte sich dem Kläger daraus allein nicht der Verdacht aufdrängen, die Produktion des Modells BMW 730 iA sei zwischenzeitlich eingestellt worden. (…)“