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Kategorie: Ehe- und Familienrecht

Herausgabe der Kinder an den Vater

Mutter, Vater, Kinder, Schweden, Kindesentführung, Herausgabe, Sorgerecht, Eltern, Trennung, Besuch, Wohnung, HKiEntÜ, Gericht


Pressemitteilung des BVerfG vom 18.03.1999, Nr. 33/1999
Beschluss vom 09.03.1999, Az. 2 BvR 420/99

Erfolglose Verfassungsbeschwerden im Zusammenhang mit dem Haager Kindesentführungsübereinkommen

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden (Vb) einer Mutter und ihrer zwei minderjährigen Kinder nicht zur Entscheidung angenommen. Die Vb richteten sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen, mit denen die Herausgabe der Kinder an den Vater angeordnet worden ist.

I.
Die 1993 und 1995 geborenen Kinder haben zunächst bis Anfang 1997 mit ihren nicht miteinander verheirateten Eltern in Schweden zusammengelebt. Das Sorgerecht steht den Eltern gemeinsam zu. Der Vater ist schwedischer Staatsangehöriger, die Mutter deutsche; die beiden Kinder besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit.

Nach einer ersten Trennung der Eltern hat die Mutter zeitweilig mit den Kindern in Deutschland gelebt; 1997 kehrte sie nach Schweden zurück. 1998 kam es erneut zur Trennung. Die Mutter bezog in Schweden eine eigene Wohnung. Zunächst hielten sich die Kinder in wöchentlichem Wechsel bei der Mutter oder bei dem Vater auf, später nahm die Mutter die Kinder ganz zu sich. Ende März reiste sie mit den Kindern zu einem bis zum 9. April 1998 befristeten Besuch nach Deutschland. Hiermit war der Vater einverstanden. Ohne Rücksprache mit diesem beschloß die Mutter sodann, mit den Kindern in Deutschland zu bleiben.

Der Vater hat die Rücküberstellung der Kinder nach Schweden gemäß den Bestimmungen des Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKiEntÜ) beantragt und eine Entscheidung des zuständigen schwedischen Gerichts herbeigeführt, in der die Rechtswidrigkeit des eigenmächtig durch die Mutter begründeten Aufenthalts der Kinder in Deutschland festgestellt wird.

Im Januar 1999 hat das zuständige deutsche Familiengericht die Herausgabe der Kinder an den Vater zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Schweden angeordnet. Zur Begründung heißt es, die Widerrechtlichkeit des Aufenthalts in Deutschland sei durch die rechtskräftige Entscheidung des zuständigen schwedischen Gerichts hinreichend belegt. Ausnahmegründe nach dem HKiEntÜ seien nicht zu erkennen. Eine gegen diese Entscheidung zum Oberlandesgericht (OLG) erhobene sofortige Beschwerde blieb erfolglos.

II.
Die gegen die Beschlüsse der Zivilgerichte eingelegten Vb hat die 3. Kammer des Zweiten Senats nicht zur Entscheidung angenommen. Ihnen kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist die Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführer (Bf) angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).

1. Die hier aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen sind seit der Entscheidung des Zweiten Senats des BVerfG vom 29. Oktober 1998 2 BvR 1206/98 - (vgl. Pressemitteilung Nr. 131/98 vom 25. November 1998) geklärt.

2. Die restriktive Auslegung der Ausnahmeklauseln des HKiEntÜ durch die Fachgerichte ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Zwecke, die Lebensbedingungen für das Kind zu verstetigen, eine sachnahe Sorgerechtsentscheidung am ursprünglichen Aufenthaltsort sicherzustellen und Kindesentführungen allgemein entgegenzuwirken, weisen die Anordnung der sofortigen Rückführung grundsätzlich als zumutbar aus. Nur ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls, die sich als besonders erheblich, konkret und aktuell darstellen, stehen einer Rückführung entgegen.

Gemessen hieran ist die Rückführungsentscheidung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Es liegt kein Fall gegenläufiger Rückführungsanträge vor, die ein Hin- und Herschieben der Kinder aufgrund staatlicher Anordnungen zur Folge haben könnten. Darüber hinaus verstößt die Würdigung des OLG, daß seit der Rückkehr von Deutschland nach Schweden der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder wieder in Schweden begründet sei, nicht gegen Verfassungsrecht.

Bei der Auslegung der Ausnahmeklauseln des HKiEntÜ hat das OLG die tatsächliche Situation der Kinder gewürdigt und kommt zu dem Ergebnis, daß die mit der Rückkehr nach Schweden verbundenen Belastungen nicht über das normalerweise mit solchen Ortswechseln verbundene Maß hinausgehen. Auch dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Schließlich führt auch die besondere Belastung der Mutter zu keinem anderen Ergebnis. Die Rückkehr der Kinder an den ursprünglichen gewöhnlichen Aufenthalt ist als Folge der Entführung grundsätzlich zumutbar. Wenn schon bei den Ausnahmen aus Gründen des Kindeswohls nur ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen Beachtung finden können, so muß dies erst recht für Gründe in der Person des entführenden Elternteils gelten. Es ist der Mutter zuzumuten, sich vor Ort um notfalls gerichtlichen Schutz vor den behaupteten Belästigungen durch den Vater der Kinder zu bemühen.